| DIPTAMDOST
Am Waldsaum, schattig-warm, bei Busch und Strauch,
Gekräut, das kalkig helle Erde liebt,
Ins Dornicht auf der Pinien-Lichtung tauch
Die Nase, der sich hier ein Wunder gibt.
Das Kraut, das traubig seine Blüten stellt
Und sommers laut den reifen Pollen stäubt,
Das weiß und rosa, lila gar die Welt
Des Grüns verzückt und dich mit Duft betäubt,
Mußt du nicht suchen, denn es lockt im Mai
Mit Ölen, die sublim und feurig quelln,
Den Kiffer, der den Rausch erhofft, herbei,
Mit Dictamnin den Geist ihm aufzuhelln.
Vanille und Zitrone wagen hier
Nicht den Vergleich, was aus den Drüsen rinnt,
Ist reich und regsam, daß selbst Wein und Bier
Verzagen vor dem traumigen Absinth.
Tritt aus dem Wald und gib dich ihrem Rausch,
Mit Bitterstoffen würze Mark und Milz,
Dem Wort der Göttin, die hier nistet, lausch,
Ihr gleichzutun und ihrer Fülle, gilts.
Sie weiß zu werben und dir wird bewußt,
Daß solche Propaganda wäre not
Für all die Götter, die du hüten mußt,
In Zeiten, die dem Dichter nicht kommod.
Bei ihr, auf Kreta unverborgen, weil,
Wo Honig sich vergärt zu Met und Most,
Und werde froh und werde wieder heil
Im Schoß der Göttin, die verströmt im Dost.
Sie heilt dein Leiden, das venerisch schwärt,
Nicht modrig, sondern trocknen Elements,
Wo Eros straft und seine Gunst entehrt,
Trifft sie sein Pfeilgift, ächtets und verbrennts.
Sie lehrt dich unterm Himmelslicht des Zeus,
Daß alles, was hier keimt und wächst und blüht,
Lobsingt und preist sein herrliches Gehäus,
Ihm eigen und sein göttliches Gemüt.
Doch wenn der Juni Flur und Klippen sengt,
Die Tropfen ihres Öls zum Brennglas macht,
Wird sie zum Phoenix, der sich selbst verschenkt,
Weil sie das Opferfeuer selbst entfacht.
Und wenn der Busch, der sich vor dir entflammt
Und lodernd Äther und Arom verzehrt,
Siehst du im Feuer den, daher er stammt,
Den Himmelsvater, mit dem Blitz bewehrt.
Er blendet dich, daß du dem Orpheus gleichst,
Und küßt in dir das dritte Auge hell,
Daß du in Lied und Spruch sein Herz erreichst,
Schenkt er dir Honig, Milch und Widderfell.
|
|