| WEISSER WEIN
Farbe der Pallas und Banner der gymnischen Spiele,
Wo uns der Wettkampf in Räusche und Taumel versetzt,
Weiß des Olympos und Wellenbekrönung, gar viele
Sagen erdichtend und jede verwerfend zuletzt.
Weiß des idäischen Traums über stygischem Dunkel,
Lammwolle, Busen der Mutter in purpurner Hut,
Weißpfeil Orions, der im Dioskurengefunkel
Ziere den Kiel, und das Ziel deiner Reise wird gut.
Wein, der dem Weisen so nahe in unserer Sprache
Und sich dem Blute so leicht und gefährlich vermischt,
Macht seine Freunde erschauen als Ernte das Brache,
Aber sie sammeln sich auch, wenn er Linien verwischt.
Bakchos, der Griechen der freudige Bringer der Rebe,
Naht nicht allein, wo erwacht der orgiastische Tanz,
Was dir als Mann oder Mutter, als Greis und Ephebe
Fehlt zu den Göttern, ergänzt seine Wandelkraft ganz.
Er ist der Falter, der Falken zu zähmen gewohnte,
Er ist der Falke, der Falter zum Angriff befiehlt,
Er kann die Bilder vertauschen, was fiel und was lohnte,
Ist nur ein Wurf, den er schalkhaft und treffsicher zielt.
Er weiß viel mehr über uns, als wir irgendwann wähnen,
Er hat den Mut für den Rückzug wie den für den Streich,
Frohsinn vergeht und ein Ende wird auch allen Tränen,
Einzig von Ewigkeit ist sein unendliches Reich.
Wer ihm ergeben ist, darf seinen Kräften vertrauen,
Denn seine Macht ist von Mode und Kampfpausen frei,
Was er dir preisgeben will, wird dein Auge erschauen,
Ob es auch trüb und von Pfeilen verunstaltet sei.
Heiß ist der Atem, der aus seiner Kühle dir mundet,
Heiß wird der Wunsch und Erfüllung zum Anfassen nah,
Was dir auch werden kann, er hat es längst überrundet,
Er, der nichts sehn muß, weil alles er längst schon ersah.
Er führt dich überall hin, wo du vorhast zu weilen,
Und er beschleunigt das Tun wie kein Rad oder Schiff,
Aber du weißt, im bedächtigen Tun und im Eilen
Steht doch am Ende der Fahrt ein vernichtendes Riff.
Siehe, er rettet dich nicht, und er ist nicht gekommen,
Daß du vom Staube dich höbest und gleich seist Apoll,
Er mag dem Felsen sogar zur Verwandelung frommen,
Aber er beugt sich dem Herzblut in Liebe und Groll.
Darum verein seine Glut nicht dem Arg und dem Grame,
Sondern der Liebe, die schenkt und sich dabei vermehrt,
Dann sieht der Blinde und tänzerisch waltet der Lahme,
Und sogar Narren erscheint nicht die Weisheit verwehrt.
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