Aus »Gefangener Schwan«. Gedichte 1984, Vers 1651 bis 1670
BABEL
Wo auf verlaßnen Trümmerwelten
Die Wüste herrscht mit Spiel und Spott,
Dort schimmern aus den großen Kälten
Der Mensch und seine Spiegel: Gott.
Die Wüste und die Einsamkeiten,
Im Wolkenschnee, im Blut gestaut,
Und die Gestirne aller Breiten
Sind aus Versuchung aufgebaut.
Doch was sind Tote, unbestattet,
Wenn der Gedanke sternhin treibt
Und hoher Mut, von Wahn beschattet,
Mit Blut die letzte Weisheit schreibt?
Und was sind Gram und bleiches Bangen
Im Traum, der keine Tat gewinnt,
Was Täler, die nur aus Verlangen
Bestehn und nichts als Spiegel sind?
Der Himmel hegt dieselben Stürme,
Die abgrundtief das Herz besitzt,
Er wird zum Schoß, wenn er die Türme
Beneidet und sie jäh zerblitzt.