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Aus »Schnitterfest«. Gedichte 2011   Vers 38427 bis 38510

FREMDE


I

Die Fremde ist dem Eigenen die Grenze,
Nicht starr und dennoch ehern im Beharren,
Die Narren voller Argwohn auf sie starren,
Dem Frohen aber wird der Hamm zum Lenze.

Die jüngern übertreffen ältre Narren
Und sind versessen ganz auf Totentänze,
Bestreitend diese Scheidungen zur gänze,
Sie alles Eigne auf die Halde karren.

Daß freilich selbst das fremde Gut zu achten,
Das eigne not, daß es uns Demut lehre,
Bleibt völlig außen vor bei dem Betrachten.

Wie mag das gehn, so ohne Treu und Ehre?
Die Eile machts, das eigne Grab zu schachten,
Daß unbemerkt die große eigne Leere.


II

Die Fremde ist des Eignen weiße Schale,
Und manchen lockt sie mehr als Turm und Glocke,
Doch wer sich ohne Heimat weiht dem Stocke,
Kommt nirgends an, ging er auch tausend Male.

Ob uns die Fremde droh, ob sie uns locke,
Sie spiegelt nur das Leuchten und die Fahle,
Bedürftig, daß das Eigne wähl und zahle,
Das an uns kratzt vom Kragen bis zur Socke.

Und würfest du auch jeden Rock ins Feuer,
Allein das Aug, das sucht nach neuen Kleidern,
Es wüßte wohl, daß nur der Schein ein neuer.

Drum sag ich den Verweigerern und Meidern:
Sich selber fremd ist nur das Ungeheuer,
Ansonsten steht vorm Nacktsein immer Schneidern.


III

Die Fremde kann uns manche Weisheit lehren,
Jedoch das Urteil, ob uns diese lohne,
Macht dich dem Vater immerfort zum Sohne,
Und muß im Klang die Muttersprache ehren.

Wer meint, es kümmer die geringste Bohne
Ihn nicht, was Blut und Tradition begehren,
Wird stets mit also Schwebenden verkehren,
Tuts nah und fern und jedem Land zum Hohne.

Wenn aber die Gespenster sich am Tage
Rings häufen, heißt dies nicht, daß Trug und Lüge
Sein angemessen der Bewußtseinslage.

Sie meinen, daß ein breiter Strom sie trüge,
In Wahrheit ist ein Abschaum bloß die Plage,
Nicht wert, zu harrn, bis dieser Spuk verflüge.


IV

Die Fremde koch uns wie durch Dach und Ritzen
Ins Haus, das nun ein Heim den Apparaten,
Wer endlich hat genug von diesen Paten,
Der sorge, einen Ofen zu besitzen.

Das meiste freilich taugt nicht mal zu braten,
Drum solls nicht mehr auf unsre Kosten schwitzen,
Man faß es mit den Fingern, mit den spitzen,
Und frag nicht mehr, wie es hineingeraten.

Wer so befreit, statt einem Satelliten
Hörts Holz im Herde warm und heimlich knacken,
Hat sich des Hausherrn Titel schon erstritten.

Und ists nicht not, den Nachschub frisch zu hacken,
Die Brüder Grimm recht bald um Einlaß bitten,
Und Rumpelstilz steigt aus verglühten Schlacken.


V

Das deutsche Märchen ist im deutschen Hause
Der Geist, der uns den Schlüssel bringt, zu wissen,
Aus welchem Heile uns der Krieg gerissen,
Und daß er forttobt ohne jede Pause.

Unfähig selbst, die Heimat zu vermissen,
Wünscht sich der Feind die Gäste seiner Sause,
Daß jedem Deutschen vor sich selber grause,
Herrscht Überfluß jetzt an Gewissensbissen.

Was brauchen wir die Mythen und die Mären,
Wo täglich uns die Macher der Programme
Greulbilder unsres bösen Volks gebären?

Den Wahn erkenn als unsre ärgste Schramme,
Ein Gran der Freiheit würd der Feind gewähren,
Und sieh den ganzen Drachen unterm Kamme.


VI

Die Fremde kann das Eigne nicht gewichten,
Drum wächst das Falsche stets auf beiden Seiten,
Gesundes Volk sieht solches Gift beizeiten,
Drum kam der Feind, Millionen zu vernichten.

Dann konnte er zum nächsten Angriff schreiten,
Mit Hunger, Propaganda, Scheingerichten,
Die Folter riet, auf Wahrheit zu verzichten,
So wuchs die Mär, Verzagtheit auszubreiten.

Dann starben jene, die noch Zeugen waren,
Daß Jüngre nur noch das Erwünschte kannten,
Und doch wird sich die Wahrheit offenbaren.

Denn wie sich Käfer tummeln im Verbrannten,
Wird einst der Staufer die Eliten scharen
Und zeigen, daß die Deutschen sich ermannten.