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Aus »Unstrutleuchten. Erstes Buch«. Gedichte 2019 Vers 43687 bis 43764 KANONENBAHN I Vom Berliner Raum nach Metz Klaffte auf dem Eichenfeld Bös ein Loch im Schienennetz, Das strategisch Rang erhält. Lothringen und Elsaß fest An das Reich zu binden, schuf, Wie sich hier bewundern läßt, Deutscher Tüchtigkeit den Ruf. Denn Eschwege, Leinefeld Bindet nicht nur Schienenstatt, Mit sechs langen Tunneln hält Sich der Baukunst Lorbeerblatt. Auch die Viadukte, kühn, Aber gotisch deutsch gespannt, Werra, Westerwald und Dün Zeigen ein befreites Land. Die Besatzer legten dreist Stacheldraht ins Reichsgebiet, Wer da wanderte, sah meist Bloß den Weiser: Grenzgebiet. Als die Straßensperren fieln, Wurde zügig stillgelegt, Was uns einst zu höchsten Zieln Hat befähigt und bewegt. II Läßt du die Unstrut dich führen, Sieh schon das Quelldorf bebrückt. Lob soll dem Meister gebühren, Dem diese Bögen geglückt. Wandersmann, schreibt man uns, preise Lieber die Retter des Baus, Sprengtruppen drohten dem Gleise, Und dieser Brücke das Aus. Als uns der Krieg auch zu Lande Austrieb aus Hütte und Schloß, Zündelte, heißts, eine Bande, Die letzte Kugeln verschoß. Sprengung macht unwiederbringlich! Seufzt man und lehnt sich zurück. Niemals mehr ist es erschwinglich, Daß so ein Bauwerk wem glück. Frage: Warum ist gestorben, Kraft, die einst tausendfach schuf? Antwort: Das Volk ist verdorben, Nicht nur sein goldener Ruf. Nie haben Sprengungsbefehle Dauernd das Anschaun zersetzt, Doch wenn das Volk seine Seele, Und seine Ehre verletzt, Kann es geschehen, daß tote Dinge wie Rabengekrächz Dauern als Denkmal, als Bote Eines verlornen Geschlechts. Wären die Bögen gespalten, Sprächen die Trümmer von Wehr, So aber schauen die alten Nichts als verlorene Ehr. Glaubt ihr, o Toren, man grenze Not oder Pein durch Verzicht? Krieg ist und schon hundert Lenze, Ob ihr es wißt oder nicht. III Kanonen schmolz man ein für Schienenstränge, Die Tunnel schmückt der Steinmetz mit Granit, Die Unstrut hört am Quell schon die Gesänge Der Toten, was das Vaterland uns litt. Und doch sie sprudelt und sie wird auch sprudeln, Wenn deutsches Wort als ausgestorben gilt, Wenn wir uns so mit Völlerei besudeln, Daß sie uns ängstigt mit dem Spiegelbild. Und ihr Gesprüh nährt Eichen, Buchen, Linden, Solang der Herr die Sonne scheinen läßt, Und drunter werden sich die Herzen finden, Die mutig werden, hoffnungsfroh und fest. Sie werden dieses Land vom Bann erretten, Den nur ermessen kann, wer schuldfrei liebt, Den Tod hat überwunden, der die Ketten Der Welt zerbricht, als er am Kreuz vergibt. |