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Aus »Unstrutleuchten. Zweites Buch«. Gedichte 2020   Vers 46150 bis 46287

MEMLEBEN


I

Groß gebaut und dann verkleinert,
Immer kleiner Trumm auf Trumm,
Schau in diesem Ort versteinert
Allen Mühns Panoptikum.

Heinrich steht fürs Allererste,
Lenznes Grün im Schneegekrust,
Folgt der Weizen aber Gerste,
Folgt der Liebe auch die Lust.

Otto, der sich schon im Namen
Offenbart als Palindrom,
Suchte nach dem größern Rahmen
Und verspielte sich in Rom.

Ihm war Sommertag und Ernte,
Was noch tastete nach Grund,
Denn der Mantel, der besternte,
Der verhieß das Erdenrund,
Aller Heimlichkeit entfernte
Und der Unstrut Muttermund.


II

In der Krypta, die gedrungen
Trotzt dem Sturm, der droben fegt,
Ist im Menschenmaß geschwungen,
Was den Schutt darüber trägt.
Keine Pforte ist erhalten,
Und man tritt im Grottengang
In das Stundenbuch der Alten,
Das der Wandel nicht bezwang.

Kein Altar, nicht Kreuz und Leuchter,
Nur mit Scharten rings beäugt,
Säulen, Stein-Geblock, von feuchter
Macht geründet und gesäugt.
Menschenwerk, das sich der Frühe
Zuneigt und verharrt im Schoß
Und sich weigert aller Mühe
In des Lichtes stolzres Los.

Weil das museale Trachten
Jeden stillen Traum umspinnt,
Drechsler Kerzenständer machten,
Daß im Dämmer keiner blind.
Jene planen munter weiter
Einzunehmen Ruh und Nacht,
Denen was geschah die Leiter
In die Höhe ihrer Macht.

Doch ich will nicht länger pönen,
Was sich richtet schon im Tun,
Denn die Krypta will versöhnen
Wie das Auge im Taifun.
Kurz verweilen hier die meisten,
Die es gruselt unter Tag,
Was sie sich als Ausflug leisten,
Gürtet fester Joch und Plag.

Wer hier freilich seine Hände
Ausstreckt auf den nassen Stein,
Atmet still, ihm ist, als fände
Er Gesang, um froh zu sein.
Erst wenn schweigt der Lärm der Herren
Um des Reiches schlichten Keim,
Falln die Schemen, die versperren
Allen Weg, der führt uns heim.


III

Auch den Mittelschiffarkaden,
Die als Klosterkirchen-Rest
Wie der Kinder nackte Waden
Uns das Kräuticht schauen läßt,
Wäre Grün geringste Bürde,
Läg im Bröckeln nur der Feind,
Der gemach in Stil und Würde
Sie dem Erdengrund vereint.

Aber die herbeigeflehte
Schaulust feiert Bildungsgut,
Daß sie in den Zirkus trete,
Fleiß bereinigt, tüncht und tut.
Und so hat sich eingefunden
Frohsinn, daß der Ernst verfiel,
Wie Gewürm in Eiterwunden
Prunkt das viel geknipste Spiel.

Wer da kommt aus Krypten-Dämmer,
Wagt den Augen nicht zu traun:
Hätten doch Gewitter-Hämmer
All die Mauern ganz zerhaun!
Schamlos müht sich das Vernutzen
Um ein unverstandnes Heil
Und versucht, es frech zu stutzen
Auf den Geist, der jedem feil.

Trost bleibt nur in dieser Plage,
Daß die Krypta nicht so bunt,
Und uns der Historiophage
Nicht noch nahm den Schatz im Grund.
Doch er wird nicht innehalten,
Bis der letzte Stolz zerstört,
Ohne Gnade muß erkalten
Was der Welt, die fiel, gehört.

Also ist zu wiederholen,
Unser wahres Vaterland
Wird von Yankees oder Polen
Nicht besetzt und nicht zuschand.
Immer abseits staubgeweihter
Höhen, die am Ende gleich,
Führt der Herr die Seinen weiter
Hochgemut ins wahre Reich.


IV

Unstruts Windung,
Unstruts Hang,
Dieser Bindung
Stets entlang,
Ward zum Orte
Was erst Hain,
Ohne Pforte
Ließ sie ein.

Keine Schranke
Nahm uns Zoll,
Kein Gedanke
Striff uns toll,
Je ein Heller
Sei gelöhnt,
Daß ein Keller
Uns versöhnt.

Wer den Triften
Folgt als Schaf,
Wer von Giften
Wählt, die brav,
Wer da reiht sich
Froh zur Schur,
Sei nicht geizig
Der Kultur.

Doch wer gläubig
Nur dem Herrn,
Bleibe räudig
Frei im Kern,
Wer am Wasser
Braucht nicht Paß,
Macht nicht nasser,
Was schon naß.

Niemand streitet
Freien Pfad,
Wenn nicht leitet
Vater Staat.
Frag die Beine,
Wann man ruht,
Ohne Leine
Geht sichs gut.