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Aus »Punisches Lied. Tragödie«.   Vers 49122 bis 49201

ZWEITER AUFZUG. FÜNFTE SZENE


Anna, Timon.

ANNA (steigt vom Baum und geht im Kreise):
Ich weiß nicht, wag ichs oder laß ichs laufen,
Noch nie war ich so wundersam benebelt,
Ich durfte auf dem Aste nicht mal schnaufen,
Doch nun scheint alle Furcht wie ausgehebelt.
Was für ein Mann, so herrisch und verhalten,
Man sieht, die Augen sahen viele Länder,
Er hat vom Zauber, den die Eltern schalten,
So viel, daß man nicht ahnen kann die Ränder.
Ich weiß nicht ein und aus und find nicht Ruhe,
Mir kriecht der Schweiß wie Schaum aus jeder Pore,
Ich weiß, es ist gefährlich, was ich tue,
Ich schau ihm nach vom Wachturm bei dem Tore.
(Sie verschwindet, kommt betrübt zurück.)
Der Meeresdunst hat ihn schon längst verschlungen,
Auch hörte ich kein Horn als Lebenszeichen.
Was soll das werden in den Dämmerungen,
Wenn lange Schatten durch den Garten schleichen?
Ich höre Timon? wird er mich befragen?
Mir schwindelt, wenn ich diesen Wahn bedenke,
Ich werde Wahrheit ungefärbt nicht sagen ?
O weh, ich denk der Arme, der Gelenke!

TIMON: O Anna sprecht, wo ist die Fürstin grade,
Ich wüßte gern, ob sie erfreut vom Gaste.

ANNA: Ich sah sie eben pflegen sich im Bade,
Sie wird wohl schlafen drinnen im Palaste.
Der Tag war voller wechselnder Gefühle,
Er stieß sie in den Brennpunkt der Geschichte,
Gefühle, dunkle, fährliche und schwüle,
Und nun ist sie am Ende ganz zunichte.

TIMON: Es ist nicht gut am Feigenbaum zu liegen,
Die Seele treibt dort weit ins Reich der Schatten,
Sie wird zuletzt noch Depressionen kriegen,
Sucht sie nur immerfort nach ihrem Gatten.

ANNA: Ich glaub nicht an die Hexenmacht der Feige,
Die Venus kommt, wenn Frauenherzen schreien,
Behalt für dich, wenn ich dir nicht verschweige,
Sie liebts schon lang, sich solchem Sinn zu weihen.

TIMON: Unfaßbar! Ist die Keuschheit eine Larve,
Die sie uns pflegt, Unfehlbarkeit zu gaukeln,
Sind ihre Träume schummrige und scharfe?
Läßt sie von Amor sich im Schlafe schaukeln?

ANNA: Verwunderlich ists nicht bei ihren Pflichten,
Sie schaut im Alltag nur die stärksten Mannen,
Und dachten etwa Schmachten und Verzichten
Demiurgen, da sie einst das Weib ersannen?

TIMON: So sagt, wie wars, da sie Aeneas schaute?

ANNA: Ich übte die Methode des Gesindes
Und lauschte, weil ich dieser Sach nicht traute,
Und weiß, allein das Störende des Kindes,
Hielt sie noch ab zu schmusen und zu herzen,
Ihr Herz, gleich einem Hammerwerke pocht es.
Die Frauen ähneln oft geraden Kerzen,
Erfährt man nicht die Windungen des Dochtes.

TIMON: Und warum ruht sie jetzt in ihrer Kammer?

ANNA: Ihr wißt doch, daß die Venus sie im Traume
Berät wie man begegne solchem Jammer.
Sie sagt gewiß nicht: Halt dein Herz im Zaume.

TIMON: Wir müssen uns auf diese neue Lage
Rasch einstelln, denn sonst könnte dies bedeuten,
Daß sie uns untreu schilt mit lauter Klage,
Und bloßstellt vor dem Gast und vor den Leuten.

ANNA: Als sie grad ging, so sagte sie recht leise,
Es wär gewiß zum Nutzen dieses Thrones
Und auch für sie die allerfeinste Weise,
Käm sie zurück, und er wär bar des Sohnes.

TIMON: Mir wird ganz übel und ich wag zu fragen,
Was ist zu tun, man darf sie wohl nicht drängen,
Was ist zu tun und was ist hier zu wagen,
Daß man nicht fehlt vor ihrem Blick, dem strengen.

ANNA: Sagt dem Dardaner, er mög in den Garten
Zurückkehrn, so, als hätt er was vergessen,
Und was ihn dort im Dämmer wird erwarten,
Leicht anzudeuten, scheint mir nicht vermessen.
Sagt ruhig, daß sie erst die Venus fragen
Noch will, wie die Bewirtung angemessen.
Ich hoff, ihr merkt euch, was euch aufgetragen,
Und werdet nicht das Wichtigste vergessen.

TIMON: Ich eile wieder pfeilgeschwind zum Ufer,
Dies ist ein großer Tag in der Geschichte,
So lange war im Wüstensand ich Rufer,
Und nun schreibt Venus selber die Gedichte. (Ab.)