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Aus »Medea. Tragödie«.   Vers 50670 bis 50737

ERSTER AUFZUG. ERSTE SZENE


In einem Turm an der Küste von Kolchis. Ein runder Saal mit Schießscharten. Singende Mädchen in Weiß beim Bodenturnen. Medea, ganz in Schwarz mit Stiefeln, Strumpfhose und Bluse und einer schwarzen Schleife im Haar, boxt auf scharlachrote Ledersäcke. Durch eine Luke fällt das Licht des Vollmonds.


Medea, Peritta, Gora.

PERITTA: Dir singen wir du wundersame Leuchte,
Die Wölfe weckt und uns das Blut erneuert,
Erst da die Nacht des Goldes Zorn verscheuchte,
Der maßlos Kraut und Dünensand verfeuert,
Erwachst du uns zum Horn und zum Pokale
Und auch als Zeit, das Antlitz tief zu schwärzen.
Du gibst die Mitte unserm offnen Saale,
Darin wir brennen als geweihte Kerzen.
Wir wandeln uns zu Pfeilern und Rosetten
In deiner Fahle, die uns spornt zur Rache,
Wir haben uns befreit von allen Ketten,
Darum uns mondenweiß und furchtlos mache.

MEDEA: Was sagt die Botin aus dem Westwindtosen?
Was schlämmt er als zerbrochnen Traum ans Ufer?
Nicht heisch ich nach Korinthen und nach Rosen,
Ich trau allein dem unerschrocknen Rufer.

GORA: Es kamen Schiffe, und manch Wohlbewehrter
Nutzt fremde Laute bei den Waffenspielen,
Sie wirkten kindlich, trügen sie nicht Schwerter,
Und arglos noch, worauf die Pfeile zielen.
Die Sitten dieser ungebärdgen Knaben
Sind seltsam und von unsern sehr verschieden,
Wenn sie nicht auf der Jagd zu schaffen haben,
So turteln sie wie Tauben, die sich lieben.

MEDEA: Was soll das heißen? Halten sie sich Weiber?
Sinds welche gar von hier, die sie entehrten?

GORA: Am liebsten mögen sie die eignen Leiber,
Doch manche auch die jüngeren Gefährten.
Wer bartlos dient als Mundschenk seinem Recken,
Bekleidet sich nur spärlich und beim Tanzen
Läßt er sich an Gesäß und Nabel necken,
Und seine Lippen mögen Mannsbart-Fransen.

MEDEA: Sie sind gewiß von weit nach hier gefahren.
Ist heil zur Heimfahrt die gesamte Flotte?

GORA: Nach Eile schauts nicht aus bei dem Gebaren.
Ich denk, sie ziehts so wie das Licht die Motte.

MEDEA: Was soll das sein? Wir haben keine Schätze?
Solch lange Fahrt für eine karge Küste?

GORA: Das Vlies, Medea, ist das Ziel der Hetze.
Wers ihnen riet, wenn mans doch näher wüßte!

MEDEA: Nachfahren wohl des tölpelhaften Spenders.
Vielleicht hat sie sein Geist im Traum gerufen.
Seis wie es sei, durchs Feuer des Geländers
Drang nie ein Held zu unsern Tempelstufen.
Drum sind die Fremden ziemlich in der Klemme.

GORA: Ich hör den Geist der Brandung gräßlich wimmern,
Am Erlenholze bräunen sich die Schwämme,
Und auf den Wogen seh ichs purpurn schimmern,
Sie sandten einen Boten zu dem Vater,
Der schien mir nach dem Rate schwer gealtert,
Die Götter rief er selbst am Feuerkrater,
Mir schiens die Seel, die durch ein Kleefeld faltert.

MEDEA: Nun gut, so bring den Bruder mir zum Rate,
Er wird Begehr und Abhilf mir vertrauen,
Er ist schon lang der zweite Mann im Staate
Und weiß die Dinge gründlich zu durchschauen.

PERITTA: O weh, ein Mann in unsrer holden Halle!
Dies ist der Anfang von der Freiheit Ende,
Sie morden mit dem Augenlicht uns alle,
Bänd man auch hären ihre Grabscherhände.

MEDEA: Verstumme Gans, wenn Politik entscheidet
Und sorg dich lieber, daß dein Rücken runder.
Um dich hat mich noch nie ein Mann beneidet,
Sei er auch taub und platt wie eine Flunder.

GORA: Ich werd den Prinzen in die Halle locken,
Und sorgen, daß verschwiegen es geschehe,
Er laß die Stiefel draußen, komm in Socken,
Dann fürchtet selbst Peritta keine Wehe. (Ab.)