Willkommen

Lebenslauf

Aktuell

Werke

Publikationen

Audio

Leserstimmen

Besucherbuch

Impressum
 
vorige Szene nächste Szene

Aus »Musendämmerung. Tragödie«.   Vers 55121 bis 55212

DRITTER AUFZUG. ERSTE SZENE


Das Arbeitszimmer des Statthalters mit verhängten Fenstern. Überall Waffen und militärisches Gerät.


Orest, Hypathia, Scholastikos.

OREST: Ich ließ euch rufen, weil in großer Sorge
Ich um den Frieden dieses Landes ringe,
Und wenn ich Rat von Philosophen borge,
Erhelln sich auch vielleicht die andern Dinge.
Nicht deutlich wird die Richtung in dem Drohen,
Das mehr und mehr die ganz Stadt durchrüttelt,
Die Grenzen zwischen Niederen und Hohen
Erscheinen mir zerklüftet und geschüttelt.
Mir lag noch niemals der verlorne Posten,
Drum such ich Klarheit, was die Zeit bedeutet,
Es geht nicht mehr um Kränkungen und Kosten,
Es geht darum, daß sich die Schlange häutet.

SCHOLASTIKOS: Es scheint, als ob ein namenloser Hetzer
Umhergeht, alles zu verwirrn, zu trügen,
Daß jeder sieht im Feind den Klingenwetzer,
Verdankt sich oft den ausgestreuten Lügen.

HYPATHIA: Es wird gesagt, es setze die Geschichte
Der Geist als Mittel seinem eignen Ziele,
Daß er den einen laß und den verpflichte,
Die Menschen aber nie durchschaun die Spiele.
In dieser Meinung sagt der Schulen eine,
Zerstörung sei je früher desto besser,
Dann käme erst der Geist mit sich ins reine,
Denn für den Menschen hülfe nur das Messer.
Die andre aber sieht in Schlächtereien
Katharsis, daß die beßre Welt entstehe,
Der Geist wird sich vom Dunkelstern befreien,
Der Mensch sich neun vom Scheitel bis zur Zehe.
Ich glaube nicht an ein Gesetz im Werden
Als an die Welle, der Gebirg und Täler
Sich wechseln wie ein Fluch und fette Herden,
Und deren Weite breiter mal und schmäler.
Was dauern will, dem ist zuvörderst eigen
Das Gleichgewicht von Halten und Verlieren,
Drum gibt es keine Richtung aufzuzeigen,
Und närrisch ists, nach Künftigem zu gieren.
Der Geist trifft die Geschichte nur im Täter,
Im selben freilich geht er auch verloren,
Drum frage nicht nach früher oder später,
Du selbst bist heut zu deiner Tat erkoren.
Was wir beginnen, nennt sich die Geschichte,
Wenn es gelang und auch wenn es mißraten,
Drum setzt der Geist kein Wechseln der Gewichte,
Er spricht wenn überhaupt dann nur in Taten.
Bevor wir tun, sei Frage, was wir wollen,
Denn ohne ein Motiv wird nichts geschehen,
Drum achte nicht, was für Gewalten grollen,
Du solltest eher in den Spiegel sehen.

OREST: Wir wollen, daß die Ordnung sich erhielte,
Die Waffen pflegen einzig zur Parade,
Den Gleichklang und nicht die wer weiß wievielte
Verwirrung wo der Speck und wo die Made.
Die Einsicht, daß die Welt zwar nicht vollendet,
Doch besser als ein Schlachtfeld voller Leichen,
Die Einsicht, daß genug das Blatt gewendet,
Und unzerstörte Dinge länger reichen.

HYPATHIA: Bevor die Woge alles überflutet,
Benutze sie, dein leichtes Boot zu tragen,
Wenn diese Stadt im Innersten verblutet,
Ists nötig, größre Brücken aufzuschlagen.

OREST: Ich schrieb Kyrill und jedesmal vergebens,
Er möge mich beim Kaiser unterstützen,
Doch dieser, diese Krankheit meines Lebens,
Sagt gradezu, dies würde doch nichts nützen.
Ich hätt es eben sträflich unterlassen,
Die Tempel und die Schulen hier zu schließen,
Wenn drum die Dinge nicht zusammenpassen,
Seis Wunder grad, wenn mich die Sorgen ließen.

SCHOLASTIKOS: Vielleicht ist dieser Mann doch umzustimmen,
Und nur nicht, wenns verlangt von eurer Feder,
Oft bannt ein Blick, ein kleines Wort den Grimmen,
Dem Käferkrabbeln beugt sich selbst die Zeder.

OREST: Ihr ratet mir zu einem klugen Boten,
Vermutlich weiblich, wenn ichs recht verstehe,
Der soll den dicken Brocken uns verschroten,
Daß ich ihn krieg zum Segen und zur Ehe.
Das trifft sich gut mit eigenem Erwägen,
Auch glaub ich, ist der Bote nicht erschrocken,
Ja, manchmal führn zu Tal auch breite Schrägen,
Die Zeit ist um, daß wir zusammenhocken.

SCHOLASTIKOS: So reise, das Museion zu erretten!
Hypathia, ring mit Weiblichkeit und Witzen!
Du wirst den stolzen Mann auf Rosen betten
Und nicht versäumen, seine Haut zu ritzen.

HYPATHIA: Wer Taten preist, kann, wenn an ihm die Reihe,
Nicht Ausflucht und Verhinderung bemühen,
Wenn ich mich diesem Löwenzwinger weihe,
Gibts einen Zeitpunkt nur dafür, den frühen.
Drum steht mit frischen Pferden hier mein Wagen,
Sie stampfen schon, sie sind schon unterrichtet,
Was sein soll, wird der Kluge nicht vertagen,
Denn wer vertagt, hat oft damit verzichtet. (Ab.)