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Aus »Musendämmerung. Tragödie«.   Vers 54533 bis 54684

ERSTER AUFZUG. SECHSTE SZENE


Ajax, Teukros, Hypathia.

AJAX: Nun, dritte Runde, man versuchts mit Frauen!
Was für ein Aufwand für uns sture Biester!
Doch käm sie auch mit Augen, nordisch blauen,
Ich liebte dennoch keinen Christenpriester.

HYPATHIA: O guter Tag, ich künde euch vom Geiste,
Der allem gibt Gestalt und Form und Flügel,
Ich denke neu ist euch vom Stoff das meiste,
Doch mit Geduld erklimmt sich mancher Hügel.

AJAX: Vom Christengeist ists not nicht zu erzählen,
Wir sind nicht blind und schauen seine Taten,
Man kann gar nicht zu scharfe Waffen wählen,
Wenn eine Lehre ist so arg mißraten.

HYPATHIA: Der Geist der Philosophen ist kein Wesen,
Das offenbart wird oder angerufen,
Du kannst ihn nicht erfahren noch erlesen,
Allein im Denken steigst du seine Stufen.
Drum ist es völlig gleich, zu welchem Glauben
Erziehung sich und eigne Wahl verdichtet,
Ihr mögt nach Adlern spähen oder Tauben,
Der Geist nach gänzlich anderm Maß gewichtet.

TEUKROS: Wozu ein neuer Geist, der euerm Meinen
Nach, völlig anderes als die Geister alle?
Mir will die große Absolutheit scheinen,
Als berge sie den Hinterhalt der Falle.

HYPATHIA: Nun, allen Dingen eignet das Verweilen,
Ob sie bewegt, ist Zutat und entbehrlich,
Jedoch der Geist muß unaufhörlich eilen,
Und bremst er sich, so wird er selber spärlich.
Ein Denken, das nicht denkt, ist nicht vorhanden,
Und jede Antwort ruft nach einer Frage.
Ich frage, habt ihr dies mir zugestanden,
Eh ich euch mit dem Folgeschlusse plage.

AJAX: Dies mag so sein, doch ist mir nicht begreiflich,
Wohin die Setzung des Begriffes ziele,
Ich rate, überlegt euchs gut und reiflich,
Und foppt uns nicht mit einem Kinderspiele.

HYPATHIA: Wenn hinter jedem Grunde einer lauert,
Der wiederum sich einem Grunde schuldet,
Lohnt nicht zu zähln, weil dies ja ewig dauert,
Doch daß dies alles grundlos, wird geduldet
Vom Geiste nicht, der selbst aus lauter Gründen
Den allerersten muß in sich entdecken,
Und darum muß die Schau der Gründe münden
Im Einen, das sich zeigt in allen Zwecken.

TEUKROS: Das Eine nennt ihr Gott in eurer Sprache
Und Ursach allem, was sich rings entfaltet,
Ihr meint den Samen, der erweckt das Brache,
Und sich in jeder neuen Form gestaltet.

HYPATHIA: Ganz recht, doch seht, wenn dieser Geist Bewegen,
Entfernt er sich so wie der Pfeil vom Bogen,
Dies kommt als Grund, als erster, ungelegen,
Denn aller Folge wird der Grund entzogen.

TEUKROS: Ganz recht, ein Same kann nur einen Acker
Und nicht ein ganzes Dutzend überkeimen.
Wie also ist der Grund des Grunds der Packer
Des ersten, drauf sich alle weitern reimen?

HYPATHIA: Ich bleib beim Pfeil, denn naht er sich dem Wilde,
Ists Grund, daß einem Pfeif der Bogen lache,
Dies ist nur möglich, bleiben wir im Bilde,
Wenn Wild und Bogen sind dieselbe Sache.
Es muß ein erster Grund im steten Wandel
Im Dreischritt uns gedacht sein und begründet,
Weil aller Geist, von dem die Rede handelt,
Ins Gegenteil, das mit ihm eines, mündet.

AJAX: Ihr sagt uns, Gott ist drei und eins, die Christen
Im Disputieren solches auch versichern,
Dies klingt mir nach des Hermes Kupplerlisten,
Die Plautus braucht, damit die Leute kichern.

HYPATHIA: Uralt sind solche Ahndungen der Dichter,
Plotin hat diese Lehre rein geschliffen,
Als Denkfigur, im Volke freilich schlichter,
Hat dieses auch die Kirche aufgegriffen.
Das brachte ihr gewaltige Konflikte
Und Schismen, Häresien und Prozesse,
Doch daß sie sich in diese Fährnis schickte,
Beweist ihr Leben und nicht etwa Blässe.
Wenn aber aller Denkerstolz der Griechen
Im Christentume heute wird verhandelt,
Ists unrecht, dies als schimpflichen und siechen
Exzeß zu sehn, der nur von Unrat handelt.
Drum sagt der Philosoph, bei diesen Dingen
Scheid Schmerzliches der Vorderbühn vom Grunde,
Die Gegenwart bezeugt ein hartes Ringen,
Daß unser Reich sich einigend gesunde.

AJAX: Wieso muß aber Kunst zerschlagen werden,
Die doch vom Geist so viel vorhergesehen?
Warum bemühn, daß Friede sei auf Erden,
Sich viele, daß die anderen untergehen?

HYPATHIA: Bedenkt, als Bacchus uns gebracht die Rebe,
Zerrissen Orpheus rasende Mänaden,
Daß Joves als der Herr des Himmels lebe,
Kam Kronos ziemlich jämmerlich zu Schaden.
Zerstörung ist der Preis, daß etwas wachse,
Ihr seht den Pflug, doch nicht die spätre Ernte
Verfall und Aufblühn trägt die gleiche Achse,
Nicht leidlos sich der Himmelskreis besternte.

AJAX: Ihr weicht der Frage aus, warum die Dinge,
Die Sehnsucht, Ahndung, Fleiß uns einst gewoben,
Bestimmt sein, daß der Abgrund sie verschlinge,
Und Haß und Rachsucht in den Städten toben.

HYPATHIA: Ihr überschätzt die marmortoten Zeugen,
Gewiß wird man einst nach den Resten graben,
Das Leben kann der Herkunft sich nicht beugen,
Wir müssen alles lassen, was wir haben.
Die Dauer ist in Stelen nicht und Säulen,
Sie ist allein im Geist, der sich gestaltet,
Und wenn die Wölfe in den Tempeln heulen,
So ward der Ritus mürbe und veraltet.

TEUKROS: Was solln wir tun in diesem so Bewegten,
Wenn unser Geist das eigne Heim nicht findet?
Verstecken uns, bis sich die Wogen legten?
Abwarten, bis ein neuer Geist uns bindet?

HYPATHIA: Den Bogen der Versuchung auszuhalten,
Nimmt euch kein Philosoph mit seinem Wissen,
Wer uns auch heißt, die Hände fromm zu falten,
Wir bleiben aus dem Heil herausgerissen,
Ob sich der Sinn erst geb bei unserm Tode,
Ist in der Welt nicht gültig zu entscheiden,
Und einsam ist der Mensch bei der Synode,
Die immer wieder nur beschließt zu leiden.
Doch ist es klug, von Hoffart sich zu hüten,
Und allem Zorn die Herrschaft zu verweigern,
Denn sonst verliert man sich in seinem Wüten
Und sucht nichts mehr als dieses noch zu steigern.
Der Herr, der euch gestellt, sucht alle Härte
Im Kampfe der Ideen abzumildern,
Wer solchen Unterfangen sich versperrte,
Der droht dabei zum Tiere zu verwildern.

AJAX: Ihr stimmt mich doch bedenklich und verlegen,
Wenn das Museion stellt uns solche Weiser,
Dann bleibt uns wohl nur eins: uns zu bewegen
Ins Geistige und darum deutlich leiser.
Daß man die zweite Wange hinhalt einem Schläger,
Ist sinnvoll nur, wenn der vor Scham errötet,
Und dieses Neuen selbstbewußter Träger
Gewöhnlich ohne ein Bedenken tötet.
Doch mag es sein und nützlich zu probieren,
Mit milder Stimmung diesen See zu glätten,
Es gäbe Gründe sich dabei zu zieren,
Wenn wir im ganzen Spiele Wahlrecht hätten.
Ich zeig mich überzeugt, daß dies im Wahne
Gehofft ward, und ich zeig die Konsequenzen,
Ich füge mich dem Geist und seinem Plane,
Und bleib gelassen bei den Totentänzen.

TEUKROS: Dies freut mich, denn auch mir ist aufgegangen,
Daß Narretei der Krieg um die Skulpturen,
So vieles ist seit alter Zeit vergangen,
Was machts, daß rascher sie zum Staube fuhren.
Wenn unser Stillsein Größerem die Wiege
Bewachen kann, so solls an Mut nicht mangeln,
Schon viel zu viel verlor die Stadt im Kriege,
Drum wird es Zeit, sich aus dem Sumpf zu hangeln.