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Aus »Der Seerosenritter«. Gedichte 1990   Vers 3721 bis 3776

SEEROSEN


I

In seichte Wasser seine Kiesel glitten
Und kräuselten die Sommernachmittage,
Das mürbe Schilf und Wind mit sanfter Klage
Umwiegten ihn und sein Gesicht inmitten

Der Kreise, die in gleicher Weise bitten,
Daß ihre Herrin aus verwunschner Sage
Mit Glanz und Anmut aus dem Weiher rage,
Daß sie nicht länger seine Willkür litten.

Und fröstelnd eines Flügelschlages inne,
Schaut er der gleichen Welle Wiederkehr
Und wie sie schmeichelt und bezwingt: zerrinne!

Doch eine Welle trinkt die andre leer,
Und schleierlos zerwehn betäubte Sinne
Wie Blätter auf ein unberührtes Meer.


II

Sie spielen noch wie einst mit ihren Garnen,
Wenn sie dem Schläfer ihre Schönheit zeigen,
Ach Herz, du mußt dich immerfort verneigen,
Vergessen, was dich zweifeln ließ und warnen.

Wer wüßte schon, ob sie sich selber meinen,
Wenn sie uns von verwunschnen Wesen künden,
Von unbefriedet aufgebrochnen Schlünden,
Die sie der tiefen Dunkelheit vereinen?

Wer weiß von Seelen, da die Welt Gemüt
Und Anklang ward, ein todkrank süßer Schauer
Voll Sanftheit, die im Fieberwahn verglüht?

Doch der Erinnrung ahnndungsvolle Trauer
Bleibt dunkel, wenn die Königliche blüht
Durch ihrer Wasser spiegelblanke Mauer.


III

Die trocknen Blüten weißer oder blauer
Seerosen machen deinen Knaster fein,
So darfst du auch ein Lotophage sein
Und helln das Blut, das dunkel ward und sauer.

Im weißen Rauch reit Wind und Mähre ein,
Den Blust zu preisen, wird dein Spruch genauer.
Auf Lieder, die im Moder prunken lauer,
Nach Bildern, die wie Lotosfarben rein.

Sie bergen Kraft, die Herz und Augenweide
Vereint, daß unser Traum karfunkeln darf,
Der nicht mehr unterscheidet Erz und Seide.

Nicht mehr die Mutterbrust und Klingen scharf,
Nicht mehr den Schnitter und das Goldgetreide,
Nicht mehr die Schlacht und Minneleichs Geharf.


IV

Der hellste Blust wächst in der Todeskuhle,
Wo die Verwesung alles löscht und schlingt,
Was sonnenhaften Blick und Duft erringt,
Erhebt sich im Moraste und im Pfuhle.

Der Ritter, der nach Haus den Waisen bringt,
Gilt letzten Menschen als der Somnambule,
Weltnacht und Wolfzeit sind ihm Hort und Schule,
Bis er das Szepter in der Hofburg schwingt.

Ihm lausche in der Rose und im Schwane
Und ganz zuletzt noch im Geleucht im Sumpf,
Umstellt von Tod und weich umarmt vom Wahne.

Denn erst wenn alles trostlos dirbt und stumpf,
Entrollt der Heiler die Wacholder-Fahne
Und der April begrünt den Eichenstumpf.