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Aus »Der arme Heinrich. Miraculum«.   Vers 60425 bis 60484

ERSTER AUFZUG. SIEBENTE SZENE


Alfanus, Heinrich.

ALFANUS: Es fügt sich, was gerade erst versprochen,
Schon tretet ihr persönlich in mein Lager.
Ihr habt gewiß mein Abendmahl gerochen,
So kommt herbei, ihr wirkt gefährlich mager.

HEINRICH: Ich bin verflucht von mörderischem Hoffen,
Ich spielte mit naiven Untertanen,
Ich sah die Hölle und den Eingang offen,
Drum sollst du mich zu Reu und Buße mahnen.

ALFANUS: Laß alles ruhn, den sündigen Gedanken
Verleihe nicht Gewicht durch Wiederkäuen,
Nutz deine Zeit, dem Himmelsherrn zu danken
Und dich an seinem großen Tun zu freuen.

HEINRICH: Was die Doktoren selbst und die Lakaien
Beschworen, mir den Aussatz fortzunehmen,
War ein Versuch, das Schicksal zu beleihen
Für den Moment, den sorgenfrei bequemen.
Wahrhafte Heilung ist nicht so zu zwingen,
Daß man mit Gleichmut laß das Opfer laufen,
Sie läßt sich nicht mit Witz und Macht erringen,
Sie ist mit Gold und Ländern nicht zu kaufen.

ALFANUS: Fürwahr, es gibt kein Lied sie anzulocken,
Doch kommt sie wie das Glück von ganz alleine,
Ein Frühlingswind zerbröselt Brand und Pocken,
Entfernst du dich vom Hochmut und vom Scheine.
Sei wahrhaft, Freund, und trenne dich vom Wahne,
Die Wohlgestalt sei Unterpfand des Glückes,
Dann folgst du einem vorbestimmten Plane
Und bist zugleich der Autor deines Stückes.
Denn alles, was zum Heil dir not und trächtig,
Liegt tief in deiner Seele, es zu wecken,
Sei niemals gramvoll oder übernächtig,
Der hellste Weiser ist der Wanderstecken.

HEINRICH: In welche Aue sollte ich mich wenden?
Ich lauf davon, so scheint es mir gefährlich,
Ich decke meine Augen mit den Händen
Und halte sie für tückisch und entbehrlich.

ALFANUS: So ändere die Richtung, wenn Entrinnen
Ist nicht der Weg, den dir das Herz gewiesen,
Es kommt die Kreuzung, deinen Stern zu minnen,
Dann weißt du auch, du wähltest stets nur diesen.

HEINRICH: So laufe ich zurück zu meinen Schwaben,
Allein, ich fürcht, ich werd vorüberwallen,
Und an der Kreuzung warten bloß die Raben
Gefräßig auf mein letztes Niederfallen.

ALFANUS: Geh nur zurück aus diesem tiefen Haine
Und dann verweil und leg zur Nacht dich nieder,
Das erste Haus am Wege sei das deine,
Dort findest du das Wort des Herzens wieder.
Denk immer dran: durchquer den Wald gerade,
Dann führt dich in die Au ein altes Pflaster,
Schaus erste Haus und sieh, daß man dich lade,
Und fürchte nicht um Stiefel, Wams und Zaster.

HEINRICH: Ich will beginnen, was ich nicht begreife,
Was dort geschehn soll, was mich dort erwartet,
Vielleicht zieht dort sich zu die Henkerschleife
Im Spiel, das mit den Knechten abgekartet?
Vielleicht auch steht dort eine dunkle Tränke,
Daß ich vergeß, was ich einst war und wollte,
Daß ich die Seele, die mir Last, verschenke,
Und auch das Schicksal, das mir immer grollte.