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Aus »Anna Luise. Trauerspiel«.   Vers 63634 bis 63713

DRITTER AUFZUG. VIERTE SZENE


Anna Luise, dann der Schriftsteller Koplowitz.

ANNA LUISE: Aufregung viel, ich muß mich etwas legen,
Der Arzt hat dies verordnet meinem Rücken,
Das Alter ist gewiß nicht nur ein Segen,
Zum Glück brauch ich zum Gehen keine Krücken.
(Es klopft.)
Herein! Als ringsumher die Bomben fielen,
Orangerie und Lustgarten zerstörten,
Hatt ich nicht so viel Gäste auf den Dielen,
Auch gab es nicht so viel des Unerhörten.

KOPLOWITZ: Durchlaucht, ich hoff, ich komm nicht ungelegen,
Ich schriftsteller in Wäldern und Alleen,
Die Thüringer Regierung sucht nach Wegen,
Daß nicht so viele nach dem Westen gehen,
So läßt man mich die Heimatliebe stärken,
Da lockt Natur mich und ein großer Name,
Es reichte wohl zur Zierde meinen Werken,
Dürft interviewn ich die berühmte Dame.

ANNA LUISE: Ich wüßte nichts, was öffentlich Intresse
Erwecken könnt an meinem heutgen Leben,
Auch bin ich nicht erfahren mit der Presse
Und ungeeignet, die Moral zu heben.

KOPLOWITZ: Als sich der Ami zog zurück nach Bayern,
Fast jeder mitging aus dem Adelsstande,
So durfte meine Neugier es befeuern,
Daß Ihr geduldig bliebt in diesem Lande.

ANNA LUISE: Warum hätt ich die Russen fürchten sollen
Und eine neue Thüringer Verwaltung?
Die früheren, gewißlich nicht so tollen,
Sie übten mich in ungebrochner Haltung.

KOPLOWITZ: Ich dachte, Euch gefiels, mit anzusehen,
Wie wir die Nazis jagen und vernichten,
Ich weiß, daß Euch manch Unrecht ist geschehen
In des Jahrzwölfts unrühmlichen Geschichten.

ANNA LUISE: Verfolgung, Menschenjagden oder Rache
Sind Dinge, die ich nie und nirgends schätze,
Es scheint mir eine sehr gemeine Sache,
Daß man sich an Gefallenen ergetze.
Dem Mann, der mich vom Stammsitz hat vertrieben,
An Jenas Universität der erste,
Nur Munition und der Revolver blieben,
Damit das Hirn aus seinem Schädel berste.
Dies ist doch schrecklich, war er auch gewöhnlich,
Und gönnte mir nicht einmal Gruß und Titel,
Doch ist das Christkind niemals unversöhnlich
Und weiß zu jeder Besserung das Mittel.

KOPLOWITZ: Eur Christentum ist passiv pessimistisch,
Ihr solltets mal mit Aufbauwilln verbinden,
Denn die Gesellschaft wurde doch faschistisch,
Weil Gottes Will Euch, daß da Leute schinden.

ANNA LUISE: Ich glaube, Gott erlaubt die Finsternisse,
Weil er uns Prüfer, daß wir uns ermannen,
Dem Toren ist das Heil das Ungewisse
Weil eitle Wünsche ungelebt zerrannen.
Doch frag ich Euch, als hier im Land die Guten
Gehenkt, weil sie mit gradem Rücken dachten,
Wo wart Ihr da? Was war Euch das Verbluten,
Und was der Schrecken, den die Bomber brachten?

KOPLOWITZ: Ich war in England, weil zu zweiter Klasse
Sie Deutsche, die von jüdschen Eltern, machten,
Im Krieg ward Mord der Hitlerwahn der Rasse,
Gewiß auch mir sie Tod zu bringen dachten.

ANNA LUISE: Es tut mir leid, wenn Ihr die Heimat lassen
Gemußt und hoff, der Britt war gut dem Gaste,
Doch müßtet Ihr die Russenzone hassen,
Wenn Euchs bei Churchill und der Queen wohl paßte.

KOPLOWITZ: Was reden wir von mir? Ich such zu wissen,
Wie hier zum Sozialismus steht der Adel.
Die Sowjets haben Euch den Grund entrissen –
Gibts was zu sagen außer Klag und Tadel?
Gibts jemand aus der abgehobnen Kaste,
Dem dämmert, daß da Kapital und Junker,
Die Volks Empörung allzuspät erst schaßte,
Gemäht die Jugend für den Perlenklunker?
Gibts eine, die da reuig wagt zu sprechen:
Ich nehme Abschied von verderbter Würde,
Der Sozialismus schützt uns vor Verbrechen,
Ihm angemessen scheint mir jede Bürde.

ANNA LUISE Ich wünsche Euch viel Glück beim Weitersuchen,
Ich bin für dies Bekenntnis nicht zu brauchen,
Vielleicht könnt Ihrs als Teilerfolg verbuchen,
Daß Euchs gelang, mich arg zusammnzustauchen.
(Sie wendet sich ab. Koplowitz geht.)