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Aus »Götzenspiele. Tragödie«.   Vers 69715 bis 69770

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Maria und Weißlingen treten auf.

WEISSLINGEN: Die Schwalben sind schon lange nach dem Süden,
Die Mieten sind gehäuft und Heu im Schober,
Im Rundfunk aber schrein die Lebensmüden,
Daß alles neu, den Unter stäch der Ober.
Was kümmerts uns? Wir sind der Paare frohstes,
Mögs Seuchen geben oder Volksproteste,
Das Leben in der Stadt ist bar des Trostes,
Wir aber sind uns selber hier das beste.

MARIA: Das Glück, das mir geschenkt an deiner Seite,
Ich fürchte, muß noch einmal sich bewähren,
Denn schichtet man den anderen die Scheite,
Wird man auch greifen hier die goldnen Ähren.

WEISSLINGEN: Vertraue mir, sie haben uns vergessen,
Sie denken nur in Städten und Fabriken,
Wir haben frische Luft und gut zu essen,
Der Herrgott wird auch nächstjahrs Regen schicken.

MARIA: Ich mach mir große Sorgen um den Bruder,
Er reist umher, nach Östreich und nach Flandern,
Ich fürcht, er führt ein viel zu großes Ruder,
Und manchmal scheints, ich sehe einen andern.
Ja, Götze hat das Angeln aufgegeben,
Er ist auch jetzt in Weimar oder Saalfeld,
Er ward dem Honig untreu und den Reben,
Die Politik er über Hecht und Aal stellt.
Ich glaube nicht, daß friedlich bleibt der Winter,
Der Spahn verspricht das Heil aus neuen Spritzen,
Und mancher sagt, es sei ein Plan dahinter,
Und all die Dinge bringen mich zum Schwitzen.

WEISSLINGEN: Der Doktor mit der Spritze tobt in Jena,
In Weimar, Erfurt, Gotha und Mühlhausen,
Zum Geldverdienen braucht man die Arena,
In Käffern tun sich schwerer solche Flausen.
Jedoch dein Bruder sucht den Feind zu reizen,
Das wird gewiß schon bald ins Auge gehen,
Erst innerlich und jetzt die Feder spreizen,
Das Elend ist ja nicht mehr anzusehen.

MARIA: Ich sagt ihm oft: Das ist nicht deine Sache,
Weich aus, du hast den Ort um abzutauchen,
Drauf er, ihm sei Verpflichtung, was er mache,
Aufklärung würden wir hingegen brauchen.

WEISSLINGEN: Wie hat er einst der Politik gespottet!
Und Demonstranten warn ihm bloß Krakeeler,
Jetzt taugt ihm jeder, der im Zuge trottet,
Er sieht sich als des Volkes Zorn-Beseeler.

MARIA: Die Obern werden dies nicht lange dulden,
Sie werden ihn bald einsperrn – welch ein Jammer!
Die Ordnungsgelder werden schließlich Schulden,
Am Ende kommt der Hof noch untern Hammer.

WEISSLINGEN: Wir brauchen einen Anwalt, ihn zu schützen
Und uns, ich seh, berechtigt hast du Sorgen,
Ein Mann in Rudolstadt, der wird uns stützen,
Ich such ihn auf und kehr zurück schon morgen.

MARIA: Ja, glaubst du, der Jurist wird uns erretten
Und sorgen, daß der Götz ein wenig leiser?

WEISSLINGEN: Ich würde mit dem Teufel darauf wetten.
Den Olearius fürchten Papst und Kaiser.