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GRADUS AD PARNASSUM

Wenn ein Dichter über solch ein Thema schreibt, so ist ein gewisses Maß an Ironie vonnöten. Es liegt auf der Hand, daß gerade der Dichter zu diesem Thema nicht objektiv referieren kann. Den Anspruch sich selbst zu attestieren, verlangt die Selbstachtung. Und die Bewertung des Marktes steht im Verdacht, dem eigenen Wohlstand geschuldet zu sein. Der Erfolgreiche wird die Gerechtigkeit des Marktes preisen, der Erfolglose wird die Niedertracht der Marktgesetze anprangern. Wenn wir den Markt jedoch nicht nur als Wohlstandsbörse, sondern als allgemeine Tauschinstanz verstehen, zeigen sich nicht nur die Sonnenseiten von Gewinn und Verlust, sondern der ganze Januskopf.
Mein Titel stammt aus einem der populärsten Gemälde in Deutschland, dem »Armen Poeten« von Spitzweg. In der ungeheizten Dachkammer muß der Dichter wegen Winterskälte in einem improvisierten Bett arbeiten, wo er Flöhe zu fangen hat. Ein Regenschirm verweist auf das undichte Dach. Unter den Büchern befindet sich ein dicker Schinken mit der Aufschrift »Gradus ad Parnassum« -- die Stufen zum Parnaß, der als Sitz der Musen gilt. Im heutigen Kontext würde »Der Weg zum Erfolg« auf dem Buchrücken stehen.
Spitzweg selbst war kein armer Mann. Die Eltern gehörten zum Großbürgertum. Alle Geschwister machten Karriere, Spitzweg selbst wurde nach väterlichem Willen Apotheker, studierte Pharmazie, Botanik und Chemie. Obwohl seine Begabung früh erkennbar war, widmete er sich ihr erst, als er über das väterliche Erbe verfügen konnte. Zu Lebzeiten konnte er etwa 400 Bilder verkaufen. Wenig bekannt ist, daß Spitzweg auch Dichter war. Gutmütig reimt er, die Malerei sei sein Vergnügen am Tag, daß ihn zu einem »Plaisir« am Abend, nämlich dem Dichten berechtige. Ein solcher Stolz auf das eigene Glück erscheint schon fast unanständig. Tagsüber Erfolg mit der Malerei und abends das Glück, daß mit der Dichtung ja nichts verdient werden braucht. Als Spitzweg 1865 den bayerischen Michaelsorden erhielt, verfaßte er das Spottgedicht:
Wenn einer einen Orden kriegt,
Bei uns ists so der Brauch,
Sagt jeder grad zu ihm ins Gsicht:
»Verdient hätt ich ihn auch!«
Wahrhaft erfreulich ist dies schon,
Es gibt ein treues Bild!
Wie hoch muß stehen die Nation,
Wo jeder sich so fühlt!
Nach diesen Versen kann über die Intentionen des »Armen Poeten« kein Zweifel mehr bestehen. Es handelt sich nicht um Gesellschaftskritik, Spitzweg meint nicht, der Dichter müsse wegen der Kälte im Bette bleiben, er meint vielmehr, der Dichter habe kein Geld zum Heizen, weil er lieber im Bett bleibt. Offenbar huldigt der Maler der Maxime, daß dem Tüchtigen die Welt offen stehe. Gleichwohl räumt er ein, daß man mit Malerei zu Wohlstand kommen könne, mit Dichtung eher nicht.
Unter den Künsten hat die Dichtung eine Ausnahmeposition. Wahrend in den bildenden Künsten und in der Musik das Handwerk eine große Rolle spielt und jedem Außenstehenden deutlich macht, daß hier ein Können vorliegt, über das der Außenstehende nicht verfügt, ist die Sprache Gemeingut. Jedes Kind lernt sprechen und schreiben. Aus diesem Grunde muß der Dichter erst den Nachweis erbringen, daß es sich bei seinen Wortzusammenstellungen um Dinge handelt, die nicht jedermann gelingen. Das zweite Problem besteht darin, daß der Dichter kein Produkt zu verkaufen hat. Die bildenden Künstler verkaufen Originale, die mancher als Geldanlage hortet. Ein Gedicht ist mit geringer Mühe kopierbar, schon in vormodernen Zeiten. Komponisten schlagen sich gemeinhin als Dirigenten durch und bleiben dabei zumindest im Metier. Wenn Dichter sich als Bibliothekare, Hauslehrer oder Buchhändler verdingen, meinen sie jedoch, daß sie gänzlich die Sphäre des Anspruchs verlassen und in die des Marktes wechseln.
Wenn Dichtung sich nicht verkaufen läßt, muß deshalb der Dichter nicht notwendig ein armer Mann sein. Erfreut er sich großer öffentlicher Wertschätzung, so gab es früher private Mäzene, heute Literaturpreise und Stipendien. Im antiken Griechenland standen die Dichter in der sozialen Hierarchie weit über allen anderen Künstlern. Die Bildhauer, deren Werke wir noch heute bewundern, galten als Banausen, Orpheus hingegen verstand es sogar, die Herrscher des Totenreichs zu rühren. Der Minnesang des Mittelalters ist uns in Folianten überliefert, an denen hunderte Schreiber und Illustratoren beteiligt waren. Schiller bekam seine Professur in Jena ohne Gehalt, aber das Auftreten des dänischen Millionärs, der ihn schließlich großzügig alimentierte, dürfte mit dem Erfolg seiner Vorlesungen, zu denen die Studenten Schlange standen, zusammengehangen haben. Wenn wir freilich die Gegenwart betrachten, so müssen wir feststellen, daß die Nischen am Schwinden sind, auch Spenden, Preise und sonstige Zuwendungen sind Teil des Marktgeschehens geworden.
Dabei darf nicht übergangen werden, daß die Verarmung des Dichters als Spezialfall der allgemeinen Verarmung anzusehen ist. Der moderne Mensch, der sich in grotesker Fehleinschätzung für den reichsten der Weltgeschichte hält, ist in Wahrheit der ärmste. Die Sachwerte der Welt haben seit der Zeit der großen Entdeckungen des 16. Jahrhunderts nicht zugenommen. Der Grundbesitz als landwirtschaftliche Nutzfläche und Abbaugebiet für Bodenschätze ist endlich und teilt sich durch eine massiv gewachsene Weltbevölkerung. Gestiegene Erträge werden mit Negativfolgen erkauft, die kaum eine Wertsteigerung der Fläche übriglassen. Von Bodenschätzen kann in Mitteleuropa nach jahrhundertelanger Schürferei kaum noch die Rede sein. Neben dem Grund stehen an Sachwerten vor allem Gebäude. Hier hat sich die Zahl zwar gewaltig erhöht. Während jedoch eine Ritterburg tausend Jahre stehen kann, werden die Bauten der achtziger Jahre bereits wieder abgerissen. Auch hier ist die Wertsteigerung eine Mogelrechnung. Geistige Werte als Sachanlagen anzusehen, man spricht da heute von Know-how, ist auch problematisch, weil des ständig steigende Tempo des Wettlaufs diese rasch nivelliert. Bleibt also die Negativbilanz bei Sachwerten. Neben den Sachwerten bestehen Geldwerte. Diese sind jedoch nichts als Schuldverhältnisse der Menschen untereinander. Wenn sich die Geldmenge vermehrt, egal in welcher Form das Geld vorliegt, heißt dies nur, daß die Schulden, also die Abhängigkeiten sich vermehren. Der moderne Mensch ist über und über in Abhängigkeiten verstrickt. Das soll ein Wert sein!
Die französische und die russische Revolution wurden in ganz wesentlichem Umfange von Literaten und Journalisten gemacht. Eine Änderung der Lage des geistigen Arbeiters war ein wesentliches Programm des Kommunismus. Was dabei herauskam, ist sehr treffend in Michail Bulgakows Roman »Der Meister und Margarita« beschrieben: Großzügige Programme, die allerlei zweifelhaftes Volk alimentierten. Der Lebemann hängt sich das Schild des Dichters um, und wenn in dem Poem zur Großtat der Elektrifizierung nur dick genug aufgetragen wird, steht dem Wochenende mit der Liebsten in der Datsche nichts im Wege, und Wodka ist auch genug da. Wenn die russische Literatur in den zwanziger und dreißiger Jahren eine Blüte erlebt hat, dann nicht durch die Abzocker an den staatlichen Fleischtöpfen, sondern durch die unsichere Situation, das Schwert des Damokles, das in dem Willkürregime über jedem Intellektuellen hing. Manchen hat dies veranlaßt, alles zu geben.
Die geistige Situation im Nachkriegsdeutschland ist ganz wesentlich von den Besatzungsmächten geprägt. Die Sowjets haben sich nach Stalins Tod weitgehend aus den kulturellen Fragen herausgehalten. Die Führung der DDR hat sich natürlich am großen Bruder orientiert, aber doch nicht in der gleichen Weise mit der Tradition gebrochen. So gab es in der DDR die Verlage Reclam, Insel, Kiepenheuer usw. und nicht wie in Moskau den Monopolverlag »für schöne Literatur«. Die Alimentierung der Autoren war maßvoller und spießiger. Gleichwohl rühmte sich beispielsweise Christa Wolf Anfang der achtziger Jahre, daß sie fast ihre gesamte private Korrespondenz per Telefax abwickle. Seltsamerweise war dies zu einer Zeit, als der Normalbürger der DDR so ein Gerät niemals sehen, geschweige denn nutzen konnte, allenfalls Gegenstand von Witzen, nicht etwa von Empörung wie später die Mischbatterien im Regierungslager Wandlitz.
Für die Literatur der DDR war die wirtschaftliche Existenz des Autors kein Thema, wem das Schreiben nicht untersagt wurde, der bekam auch Mittel, sich zu unterhalten. Wer mit der Partei im Kriegszustand lebte, hatte zumindest immer die Möglichkeit, eine andere, bescheiden bezahlte Erwerbstätigkeit zu finden. Die Erfolgsmöglichkeiten waren bescheiden wie die Not. Dieses Klima war der Kreativität nicht günstig. Es führte in eine geistige Abhängigkeit vom Westen, Bücher westeuropäischer oder nordamerikanischer Autoren waren sofort ausverkauft, und sie galten als wegweisend für die Zeit. So ergab es sich, daß die DDR geistig grundsätzlich dasselbe wie Westdeutschland machte, nur immer mit ein paar Jahren Verzögerung.
Im Westen wiederum hatten die Amerikaner schon während des Krieges beschlossen, eine kulturelle Dominanz aufzubauen. Das Kino und die Pop-Musik werden heute nahezu vollständig von den USA beherrscht. Die Bestseller in den großen Publikumsverlagen sind zu 90% Übersetzungen aus dem Englischen. Damit ist der deutsche Literaturmarkt als ganzes zu einem Nischenmarkt verkommen. Insofern stellt sich die Überlebensfrage des Dichters in neuer Schärfe. Unter dem Stichwort Globalisierung ist eine weitere Verschärfung beschlossen.
Die Strategen in den marktbeherrschenden Medienunternehmen begnügen sich mittlerweilen nicht mehr mit dem sogannten Mainstream. Expansion ist im gesättigten Markt nur noch durch eine planmäßige Erschließung aller Nischen möglich. Auf diese Weise werden auch Themen und Interessen von ihnen bedient, die vor zehn Jahren noch frei verfügbar waren. Von daher verbietet sich jeder Exotismus, denn wer auf solche Weise ausweicht, ist immer der Hase im Wettlauf mit dem Igel. Wer schneller zu sein versucht, wird früher oder später merken, daß die Welt des Virtuellen und des Betruges auf ihren Domänen unüberbietbar bleibt. Es führt kein Weg an der Erkenntnis vorbei, daß es neben dem globalen Markt unpersönlicher Austauschverhältnisse auch noch einen der persönlichen Austauschverhältnisse gibt, solange der Mensch nicht vollständig zur Maschine degeneriert. Hier müßte gerade der Mitteldeutsche im Vorteil sein, denn in der DDR spielten Nachbarschaftshilfe, Freunde und Verwandte eine wesentlich größere Rolle als im Westen, der mit der Überproduktion grenzenlose Möglichkeiten vorgaukelte. Der Dichter sollte sich also nicht fragen, welche Themen Herrn Reich-Ranicki interessieren, sondern welche die Menschen, die ihm auf der Straße begegnen. Über den Geschmack der Masse die Nase zu rümpfen, ist billig. Die Tatsache, daß in Menschenansammlungen ab einer bestimmten Größe Vernunft und guter Geschmack bar der Aussichten sind, besagt nichts über den einzelnen, der in dieser Wahrnehmung zur Quantität reduziert wird. Es ist die Aufgabe des Dichters, den Müllmann so sprechen zu lassen, als wäre er der Sohn des Zeus. In einigen Momenten seines Lebens ist er es tatsächlich. Diese zu erkennen und aufzuspüren, ist die Sache des Dichters.
Wesentlich ist immer, daß der Rückzug ins provinzielle Metier nicht zu einem Rückzug in provinzielle Geistigkeit wird. Heimatliteratur ist nur dann Literatur, wenn sie im Speziellen das Allgemeine aufspürt, wenn sie im Lokalen die Grundfragen der Religion, der Weltgeschichte, der Machtpolitik usw. aufscheinen läßt. Mein Vorbild ist da der Nobelpreisträger Knut Hamsun. Er zeigt mit seinen genauen und liebevollen Schilderungen der Bauern und Fischer norwegischer Dörfer die großen Linien des Glaubens und der Bewährung. Ich sagte schon bei anderer Gelegenheit, daß der Mangel unserer Zeit nicht Klugheit heiße, sondern Mut. Mut gehört aber dazu, sich den Dingen zu widmen, die sonst kaumwer für belangvoll hält. Das Gros der modernen Dichter befaßt sich mit narzißtischen Spiegelfechtereien. Dafür besteht erwiesenermaßen weniger Bedarf als Angebot. Der Markt ist immer nicht nur der kapitalistische der Warenproduktion, sondern immer auch die Welt der realen Bedürfnisse. Erst wenn man sie aufzuspüren gelernt hat, kann man als Dichter Erfolg haben. Not auf dem Wege dahin ist nicht unbedingt von Nachteil. Überhaupt gilt für Dichter nicht weniger als für Politiker, daß es ihnen gut tut, wenn sie einer praktischen Tätigkeit nachgehen. Wer nur Rentner kennt, entbehrt ganz wesentliche Erfahrungen.
Schiller sagt in den »Göttern Griechenlands«: »Was unsterblich im Gesang soll leben, / Muß im Leben untergehn.« Das Verspaar paßt gut an die Stelle, denn die griechische Ephebophilie huldigt ja einer höchst vergänglichen Schönheit: mit dem Bartwuchs ist alles vorbei. In dieser Gestimmtheit zeigt die griechische Tragödie gern auf, wie gerade innerer Reichtum, Anmut und Schönheit zum Scheitern in der Welt führen. Nur wer die Tragödie liebt, sollte nicht vergessen, daß die Griechen auf diese immer ein Satyrspiel folgen ließen, wo gerade diese Betrachtungsweise der Lächerlichkeit preisgegeben wird. Wird das Tragische verabsolutiert, ist der Weg nicht weit zur reinen Pose.
Schopenhauer meint gar »Für das praktische Leben ist das Genie so brauchbar wie ein Sternteleskop im Theater.« Da nun in der Romantik das Wort »Genie« recht wohlfeil gebraucht wurde, dürfen wir es getrost auch mit Dichter ersetzen. Dieses Zitat muß man vor dem Hintergrund von Schopenhauers Zwei-Reiche-Ethik sehen. Für Schopenhauer ist die öffentliche Welt eine hoffnungslose Sache, hingegen die Kunst eine Welt der interesselosen Anschauung. Kunst und Leben sind für ihn radikal getrennt.
Der schopenhauersche Pessimismus entfaltete im 20. Jahrhundert in der Literatur vor allem durch Thomas Mann große Wirkung, der sich zu der Lehre verstieg, die sonstige Unbrauchbarkeit sei die notwendige Voraussetzung, Literat zu werden. Ganze Generationen bemühten sich in Anerkenntnis dieser Lehre darzutun, wie krank, beziehungsgestört, allergisch, lebensuntauglich sie seien. Es wurde Mode, sich keinen Dichter mehr ohne mehrfache Scheidungen, Homosexualität, Alkohol- und Drogenprobleme vorstellen zu können, ja als Landstreicher, Kriminellen, Deserteur und Asylanten. Da das Skandalöse durch Gewöhnung sein Wesen einbüßt, mußten immer neue Abartigkeiten erfunden werden. Ungehört blieb der vernüftige Einwand, Thomas Mann könne vielleicht nur seine eigenen Probleme ins Kosmische aufgebläht haben, und diese Konzeption des Dichters sei reiner Nonsens.
Es ist Blödsinn, die Autorschaft an irgendwelchen äußeren Kennzeichen festmachen zu wollen. Ein Dichter ist, wer etwas zu sagen hat, und dieses in einer Form tut, die unser Sprachgefühl fordert und befriedigt. Und einer, der dies, warum auch immer, tun muß, unabhängig davon, ob er deswegen bezahlt und geehrt wird oder nicht, ist wesenhaft Dichter. Dies ist ein Schicksal, das heißt, dem Willen entzogen. Man kann einen Autor unterstützen, verlegen, besprechen und vorstellen, aber man kann niemanden zum Dichter machen. Wer dichtet, ist deshalb nicht unbedingt ein Dichter. Wer Fußball spielt, bezeichnet sich deswegen auch nicht als Fußballer. Vielmehr ist es so, daß auch das Dichten zu den geistigen Übungen zählt, in denen sich jeder gesunde Mensch versuchen sollte. Aber Dichter ist man nur dann, wenn einem dieses Tun so unentbehrlich ist wie das tägliche Brot. Und wenn dies so ist, dann werden Lohn und Anerkennung sekundär.
Man kann durchaus feststellen, daß die Dringlichkeit der Frage, wie denn der Dichter zu entlohnen sei, gerade zur selben Zeit wuchs, in der die Dichtung verkam. Früher mußte jeder Gymnasiast eine Anzahl Gedichte verfassen, niemand hielt diese Produkte je für bedeutend. Fast alles, was mir heute als Verleger angeboten wird, liegt im Niveau weit unter diesen früheren Schulübungen. In einer Zeit, wo die Schule nicht mehr die Bescheidenheit gegenüber der Tradition lehrt, sondern den Halbstarken einredet, sie seien Original-Genies, weil sie etwa eine Farbspray-Dose zu bedienen wissen, braucht man sich nicht über den Verlust der Maßstäbe wundern. Schon der zeitliche Horizont ist dürftig, die meisten lesen nie ein Buch, das schon vor ihrer Einschulung gedruckt wurde.
Wie Kant richtig heraushob, ist die höchste menschliche Geistesleistung die Urteilskraft. Der Dichter wird niemals eine infantil zu nennende Stufe überschreiten, wenn es ihm an Selbsterkenntnis gebricht. Wo Aufschneiderei als unerläßlich gilt, um mehr als nur Krümel vom Kuchen abzubekommen, sind Mut und Redlichkeit nötig für eine Selbsterkenntnis. Aber nur so sind Erkenntnis und Anerkenntnis zu finden und der Erfolg, um den es hier geht. Einen Weg zum Parnaß ohne Dornen und Schwielen gibt es nicht.