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Äquilibrium
Adnoten zur Umweltbewegung
Jüngst vertrat ein befreundeter Autor die These, nach dem Untergang des Kommunismus würde die menschliche Freiheit am stärksten durch den Ökofetischismus bedroht. In der Tat können wir erkennen, daß der ökologische Gedanke in den letzten Jahrzehnten massive politische Bedeutung erlangt und zu Machtverschiebungen geführt hat, die in das Leben des einzelnen eingreifen. Unter dem Stichwort Öko-Diktatur werden immer wieder politische Entwürfe diskutiert, die darauf hinauslaufen, jedermann mit Polizeigewalt zu einem Verhalten zu zwingen, daß die Protagonisten dieser Entwürfe für umweltverträglich halten. Daß unter dieser Flagge allerlei Trittbrettfahrer, wie z. B. der Feminismus, mitsegeln, soll uns hier nicht weiter beschäftigen, dies ist bei erfolgreichen politischen Bewegungen allgemein so. Wenn man die Frage einer »Öko-Diktatur« einmal vorurteilsfrei untersucht, wird man rasch feststellen, daß zwischen den Zielen verschiener Teilbewegungen, die auch im Individuum vermischt auftreten können, massive Unterschiede bestehen.
Da gibt es zunächst den Ansatz, den ich den »hygienischen« nennen will. Hier gibt es zweifellos die meisten Anhänger. Schmutz und Unrat sind schon seit dem Altertum Begleiterscheinungen der Verstädterung. Mit Beginn der Industrialisierung ergab sich eine neue Größenordnung. Als Beispiel möchte ich die Verfahren zur Sodaherstellung nennen. Soda ist ein wesentlicher Grundstoff der Glasindustrie. Es ist also nicht verwunderlich, daß bei mit der zunehmenden Ausweitung der Produktion sorgenvoll auf das natürliche Vorkommen blickte und nach Möglichkeiten sann, das um Zehnerpotenzen häufigere Kochsalz in Soda umzuwandeln. Bei dem ersten industriell eingesetzten Verfahren fielen Salzsäure und Calciumsulfid als Abfallprodukte an. Erstere wurde durch den Schornstein entsorgt, der Feststoff in Halden gelagert. Bald häuften sich die Klagen, daß sich Metallteile unter freiem Himmel, wie etwa Türklinken und Wagengestänge buchstäblich in Luft auflösten, da sie von der Säure zerfressen wurden. Die Sulfidhalden setzten unter Regenwasser, verstärkt noch durch sauren Regen, ein Gas frei, das an Giftigkeit für den Menschen an Blausäure heranreicht. Vergiftungen durch dieses Gas sind nur deshalb äußerst selten, weil das Geruchsorgan des Menschen für diesen Stoff so empfindlich ist, daß er auch in extremen Verdünnungen als widerlich wahrgenommen wird. Umgangssprachlich heißt dies Gestank von faulen Eiern. Kurzum: die Halden verpesteten einen ganzen Landstrich.
Nach wenigen Jahrzehnten wurde ein Verfahren entwickelt, daß die Umwandlung von Kochsalz in Soda ohne diese Begleiterscheinungen vornahm. In diesem Sinne sind immer wieder große Fortschritte erzielt worden. Die Umweltsünden der Industrialisierung wiederholten sich, als man insbesondere im Sowjetkommunismus versuchte, den industriellen und technischen Rückstand zu Westeuropa und Nordamerika durch brutales Vorgehen aufzuholen. Diese Ideologie hat sich von Klagen der Bevölkerung wenig beeindrucken lassen, und wir haben alle noch Erinnerungen an Bitterfeld und den traurigen Silbersee.
Im Westen ist mir vor allem die Panik erinnerlich, als nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl laut Mediennachrichten eine radioaktive Wolke über Mitteleuropa treiben sollte und ein plötzlich einsetzender Regen die Menschen in Raserei versetzte. Das Ereignis hatte politische Folgen. Immer mehr Menschen sahen sich durch unverantwortliche Technologien persönlich bedroht und forderten deren Beseitigung. Die Diskussion hat sich da inzwischen erheblich verlagert. Als ordnungspolitisch wirksam haben sich vor allem bestimmte Rituale bewährt, etwa die Mülltrennung oder der Kauf von Bioprodukten. Gleichwohl darf auch nicht verschwiegen werden, daß sich der Vorgang, den ich eingangs bei der Sodaproduktion beschrieb, beständig wiederholt. So wurden Automobile entwickelt, die mit erheblich weniger Kraftstoff auskommen als ältere Modelle, vergleichbares gibt es für Kühlschränke, Waschmaschinen und allerlei sonst.
Der Trend zur Einsparung ist freilich nicht nur halbherzig, sondern im Grunde eine Mogelpackung. In der Zeit, in der der Kraftstoffverbrauch je Kilometer halbiert wurde, hat sich die Anzahl der Kilometer, die tagtäglich gefahren werden, verzwanzigfacht. Endliche Vorräte werden nicht nur durch eine progessive sondern auch durch eine lineare Verbrauchssteigerung erschöpft, ja sogar dann, wenn der Verbrauch überhaupt nicht stiege, sondern nur andauert. Die Vorstellung von der Endlichkeit der Welt hat sich in den letzten Jahrzehnten weitgehend durchgesetzt. Kaum jemand glaubt noch, wir würden irgendwann Rohstoffe vom Mond holen. Die große Faszination der einsteinschen Formel E=mc² ist verbaßt. Niemand glaubt ernsthaft, es könne gelingen, die ungeheuren Potenzen, die in der Struktur der Materie liegen, dazu einzusetzen, die Erde in ein Schlaraffenland zu verwandeln. Die Idee der Kernfusion ist zu einem schlechten Witz verkommen, nachdem seit 1952 kein wirklich überzeugender Fortschritt gelungen ist.
Wenn aber Energie nicht produzierbar ist, sondern es auf Dauer das Schicksal des Menschen sein muß, mit dem auszukommen, was die Sonne uns täglich spendet, will er nicht das verbrauchen, was die Sonne in vorkulturellen Zeiten fossil eingelagert hat und was ohnehin nur eine aufschiebende Lösung bringt, so ergeben sich daraus Konsequenzen, die der Umweltfreund mit »hygienischen« Ansatz nicht ziehen will. Er möchte den Wohlstand und die Bequemlichkeiten der Technik behalten und einzig Entartungen vermeiden, die diesem Ziel zuwiderlaufen. Das System wird mit diesem Ansatz nicht in Frage gestellt, und also bleibt diese Art von Opposition systemimanent und damit im Grunde wirkungslos.
Den zweiten Ansatz der ökologischen Opposition nenne ich »jakobinisch«. Für diese Gruppe sind Reaktorwolken und Vogelgrippe im Grunde Propagandainstrumente, um die Massen auf ihren Kurs einzuschwören. Ihr Ansatz ist anthropologisch. Wenn ich diese Leute als »Jakobiner« bezeichne, soll damit nicht unterschlagen werden, daß sie schon im Altertum auftraten. Sie sind von der Idee besessen, der Ungleichheit der Menschen sei ein fundamentaler Frevel. Das geistige Instrumentarium, auf das sie zur Untermauerung dieser schlichten These zurückgreifen, ist komplex und eklektizistisch. Sie waren bei allen gewaltsamen Veränderungen der Weltgeschichte dabei, und da sie ihr Ziel niemals erreichen werden, werden sie wohl bis zum Jüngsten Tag bei jeglichem Aufruhr dabei sein. Karl Marx machte kein Hehl daraus, daß es ihm nicht um eine Verbesserung der Lage der englischen Idustriearbeiter ging. Er sah in diesen Menschen das Material seiner Revolution, und ihre steigende Unzufriedenheit war vor sein Geschichtsbild objektiv notwendig. Da die Irrlehre von der Gleichheit der Menschen in friedlichen Zeiten kaum Anhänger findet, sind reale Mißstände und Bedrohungen für diese Aktivisten elementare Voraussetzung, um überhaupt Wirksamkeit zu finden. Es kann also nicht verwundern, daß sie die ökologische Krise, die tiefsitzende Ängste und Ressentiments heraufbeschwört, als geeignete Einstiegsmöglichkeit begriffen haben.
Die dritte Art von Ökologiekritik ist »romantisch«. Im Wesen der Sache liegt, daß es sich hierbei um kein homogenes Lager handelt, sondern um zahllose Abstufungen, die sich im geschichtlichen Gang laufend vermehren. Da gibt es Romantiker des Mittelalters, des Kaiserreichs, der dreißiger, der fünfziger und der sechziger Jahre, und neuerdings sogar solche der achtziger Jahre. Der Romantiker ist im Grunde ein Bremser. Er hat nicht Kraft zu einem Gegenentwurf, er möchte das Fortschreiten der Technologisierung bremsen oder anhalten. Er verweist auf »früher« oder auf seine eigene Jugend. Hierzu gehört auch die Schar derer, die bei jeder Tier- oder Pflanzenart, die ausstirbt oder auszusterben droht, von apokalyptischem Pathos befallen wird. Der grundlegende Fehler der Romantik besteht darin, daß sie übersieht, daß das Ungleichgewicht zwischen Mensch und Natur nicht erst mit der Industrialisierung entstand, sondern dort nur massiv verschärft wurde. Im Mittelalter wurde noch kein Öl aus der Erde gepumpt, aber die Torfmoore wurden im heimischen Ofen verbrannt. Im Mittelmeerraum wurden schon im Altertum die Wälder im Raubbau abgeholzt, und das Edelmetall Gold war schon zu Beginn des Mittelalters in Europa verschwunden. Der Romantiker ist jemand, der beim Fällen des Waldes eine Baumgruppe stehen lassen will, in der man erfahren kann, wie es früher wohl überall gewesen sei. Das heißt, er will die Welt in ein Museum verwandeln, oder in einen Zoo, wenn es um Tierarten geht. Es ergrimmt ihn, daß sich die Menschen in den ärmeren Ländern für solche Gefühle nicht erwärmen können. Dies ermöglicht es dem jakobischen Typus, einzuhaken und ihn zu überzeugen, die ökologische Frage sei nur mit der sozialen Frage zu lösen.
Nach dieser Aufstellung möchte ich ein paar eigene Vorstellungen skizzieren. Mein Ausgangspunkt ist die These des Hl. Thomas, daß die christliche Nächstenliebe nicht im Widerspruch zur menschlichen Vernunft stehen darf. Vernunft ist jedoch für den Philiosphen nicht dasselbe wie für den Pragmatiker. Es mag im Alltag vernünftig sein, die zahllosen täglichen Werbesendungen in die Papiertonne zu werfen, aber der Philosoph muß sich fragen, warum diese Sendungen produziert werden und wie sich vielleicht ein Bedürfnis vermeiden läßt, solche Papiere zu drucken. Für die Vernunft in der Ökologie-Frage gehen es nicht um die Anzahl der Tierarten oder die Grenzwerte der Luftbelastung, sondern einzig um eines: um den Entwurf einer Lebensmöglichkeit im Gleichgewicht. Im Gleichgewicht - das heißt: ohne Kosten für die Toten und die Ungeborenen, ohne die Illusion eines höheren Zwecks, der unser Walten rechtfertigt. Der Mensch, und auch der Mensch als Raubtier, hat wie alle Wesen der Welt das Recht sich zu behaupten, aber darüber hinaus keines. Das Christentum lehrt uns zu den creatürlichem Recht die Gnade der Erlösung. Aber Gnade begründet keinerlei Rechtsanspruch. Alle Versuche, die Unmäßigkeit des Menschen transzendental zu rechtfertigen, sind Verantwortungslosigkeiten, die der Vernunft des Hl. Thomas widersprechen.
Ein Leben im Gleichgewicht war, ich deutete es bereits an, schon im Altertum nicht gegeben. Wenn also im folgenden auf Vergangenes zurückgegriffen wird, dann handelt sich es immer um Bilder, Gleichnisse, Annäherungen, keineswegs um konkrete Gesellschaftsmodelle. Wenn ich Vorstellungen, etwa aus dem Mittelalter, rehabilitiere, dann nicht, um sie zu idealisieren, sondern um sie von verleumderischem Dreck zu reinigen und uns damit die Möglichkeit zu eröffnen, im Tun und Trachten der Menschen zu allen Zeiten auch Versuche der Gleichgewichtsgewinnung zu entdecken. Die Veränderungen unserer Lebensweise, die ich in Vorschlag bringen werde, wird mancher als absurd und irreal empfinden. Ich empfehle dabei jedem, in unaufgeregter Weise zu imaginieren, was an neuer Behaglichkeit dem entbehrten Komfort entgegenstehen könne, und überhaupt den Blick dafür zu schärfen, was bei jeder unserer »Errungenschaften« auf der Kostenseite zu verbuchen ist.
Das universalste Element unseres Dasein ist das Wasser. »Aus dem Wasser kommt das Leben«, heißt es. Die ältesten Kosmogonien erzählen vom Ur-Ozean. Das Wasser vollbringt in der anorganischen und organischen Welt einen universalen Kreislauf und ist auf unserem Planeten so reichlich, daß selbst die große Vermehrung des Menschen in der Neuzeit es nicht gefährdet, solange der Mensch das Wasser so nutzt wie andere Tiere auch. Allerdings hat der moderne Mensch schon in seiner Sprache die Welt auf den Kopf gestellt. Er spricht von »Sauberkeit«, wenn er ein Wasserspülklosett benutzt statt den Misthaufen wie der vormoderne Bauer. Dabei ist erwiesen, daß gerade die Verdünnung von Fäkalien mit Frischwasser eine extreme Unsauberkeit ist. Das Leben braucht nicht nur das Feuchte, sondern auch das Trockene. Tierische Abfälle werden in trockener Umgebung durch Mikroorganismen zu pflanzennährenden Mineralien. Überhaupt hat sich im menschlichen Wohnbereich in den letzten hundert Jahren nichts so sehr vergrößert wie die »Naßzelle«. In Mietangeboten der Zeitungen war schon vor zwanzig Jahren die Trumpfkarte das Vorhandensein von zwei Badezimmern. Man vergegenwärtige sich, daß es historisch kurze Zeit davor nicht ein einziges gab.
Der moderne Mensch ist von einem widernatürlichen Reinlichkeitsdrang. Das meiste Gift im Haushalt sind Reinigungsmittel, und manche Hausfrau unterhält hier geradezu ein Chemielabor. Man stelle sich dagegen vor, wieder Trinkwasser vom Brunnen zu holen und schmutzige Wäsche außer Haus in einer Mühle zu waschen. Das zweite ist der Drang nach Mobiliät. Eine stehende Wendung lautet: »Auf dem Lande geht es nicht ohne Auto«. Gemeint ist damit, daß nicht alle fünf Minuten ein Bus oder ein Zug abfährt und man ja schließlich keine Zeit habe, eventuell zu warten. Ich will mich jetzt nicht weiter auf dieses Thema einlassen, da es ja immerhin schon einige Totalverweigerer in Sachen Auto gibt. Ich halte zur Erkenntnis des Diabolischen der Massenverbreitung dieser Erfindung auch keine Philosophie für nötig. Es genügt, sich einige Minuten auf den Grünstreifen einer Autobahn zu stellen.
Die lebensspendende Dynamik des Wassers entfaltet sich durch die Größe unseres Planeten und des Abstands von der Sonne. Also, alchymistisch gesprochen, durch das Mischungsverhältnis zum Feuer. Auf der Erde ist das Wasser regelmäßig flüssig, Eis und Wolken sind temporäre Zustände. Daß dies die Voraussetzung allen Lebens ist, braucht nicht näher erläutert werden. Neben dem Gleichgewicht zum Wasser ist das Gleichgewicht zur Sonne oder, physikalisch gesprochen, zur Energie fundamental. Ich sprach bereits von der prinzipiellen Unvermehrbarkeit. Der moderne Erergiebedarf wird vor allem durch fossile Brennstoffe gedeckt. Als mögliche Lösungen wurden schnellwachsendes Schilf oder Rapsöl genannt. Die Möglichkeiten dieser erneuerbaren Ressourcen liegen jedoch um Zehnerpotenzen unter unserem Verbrauch. Ähnlich sieht es mit Sonnenkollektoren aus. Ohne eine extreme Verringerung des Energieverbrauchs, sind hier allenfalls kosmetische Hilfen zu erwarten. Die Frage stellt sich: Wozu brauchen wir eigentlich die Energiemengen, die die Einstrahlung der Sonne vielfach übersteigen?
Unser erstes Bedürfnis ist Wärme. Wir wollen heizen im Winter und kochen das ganze Jahr. Für das Heizen wurde in den nördlichen Ländern schon immer viel Energie verbraucht, ich beklagte ja schon den Raubbau der Torfmoore. Gleichwohl hat sich das Mißverhältnis zwischen dem Holz, das in einem Sommer wächst, und dem Äquivalent, das in einem Winter verbrannt wird, entschieden verschärft. Der moderne Mensch will keine Rücksichten auf die Jahreszeiten nehmen, und im Winter genauso leben wie im Sommer. Früher schlief man in Rußland im Winter auf der Ofenbank. Heute werden riesige Glaspaläste mit gigantischen Treppenhäusern in allen Räumen geheizt. Das dies nicht mit Holz geschehen kann, versteht sich von selbst.
Früher wurde Abwärme des Heizens zum Kochen genutzt. Heute haben wir dafür ein elektrisches Gerät. Die Elektrifizierung erscheint mir überhaupt die größte Schandtat der Moderne. Als habe man den Stein der Weisen gefunden, hat man jegliche Tätigkeit und jeglichen Lebensbereich an das Vorhandensein dieser Energie gekoppelt. Gerade deshalb, weil ich mit diesem Gedanken auf die größte Skepsis stoßen werde, will ich diesen Punkt genauer ausführen, denn, ich sage es geradeaus, es gibt für mich keine ökologische Wende ohne das Verschwinden der Steckdose.
Meine Kritik an der Elektrifizierung unterteile ich in drei Thesen: 1. Strom ist als Energie allgemein zu teuer. 2. Die dauernde Verfügbarkeit ist ein irrsinniger Luxus. 3. Unsere Nutzungen von Strom sind entweder überhaupt unsinnig oder sie könnten stromfreie Technik ersetzt werden.
Daß Strom teuer ist, dürfte schon von daher einleuchten, da wir unseren Hauptenergiebedarf, nämlich das Heizen, nach wie vor stromlos bewerkstelligen. Man kann sich kaum einen schlechteren Wirkungsgrad vorstellen, als einen Windmühlenflügel, der eine gewaltige Kraft entfaltet, zu Strom zu verarbeiten, diesen durch ein Netz zu schleusen und schließlich über einen Motor Kraft zu gewinnen. So macht man eine Mücke aus einem Elefanten. Noch ruinöser ist die dauernde Verfügbarkeit mit konstanter Spannung. Von der Heizleistung der Überlandleitungen hat niemand etwas, die Stromkonzerne ausgenommen, die auch diese Kosten dem Endverbraucher aufhalsen. Die Infrastruktur ist gewaltig und nicht ohne Gefahren. Und wozu das alles?
Wir verwenden Strom, um Licht zu erzeugen. Dies derart exezentrisch, daß die Großstädte allnächtlich ein Neon-Feuerwerk veranstalten, das man sonst nur im Drogenrausch erlebt. Es stellt nicht den geringsten Verlust dar, wenn dies komplett abgeschaltet würde. Man kann sehr gut mit einer Öllampe lesen. Die Beseitigung der spätabendlichen Beleuchtung und des Verblödungs-Fernsehens würde übrigens, dies ganz nebenbei, auch das Geburtenproblem in Deutschland erledigen. So wie Winter wieder Winter sein soll, soll auch Nacht wieder Nacht sein.
Elektrische Haushaltsgeräte sind entweder überflüssig und für Tätigkeiten bestimmt, die man besser an einem Ort erledigen sollte, wo primäre Energie gewonnen wird, ich nenne dies eine Mühle, wobei Wind und Wasser gleichermaßen geeignet sind. In jedem Falle wird hier Kraft als Kraft verwandt und der teure Umweg über Strom vermieden. Überhaupt ist die »Sauberkeit« der Elektrizität eine dumme Illusion. Strom ist nur dort sauber, wo er verbraucht wird, aber nicht dort, wo er erzeugt wird, denn er kann ja gerade wegen des Wirkungsgrades nicht in nennenwertem Umfang aus Wind und Wasser gewonnen werden, sondern wird aus fossilen Brennstoffen oder, noch schlimmer, aus Kernkraft gemacht.
Früher brachte der Eismann die Kühlung ins Haus, bis ihn die Stromnutzung arbeitslos machte. Die Computer breiten sich epidemisch aus, ohne sie scheinen nicht einmal die Grundrechenoperationen oder Tätigkeiten wie das Ausstellen einer Fahrkarte möglich. Neuerdings will man sie sogar im Kindergarten einsetzten, nicht zur Verwaltung, sondern zur Gewöhnung der Kleinsten. Es wohl nicht besonders schwer festzustellen, wer wohl der Gewinner bei diesem Schmierentheater ist. Früher zog am Bahnhof der Vorsteher die Zugzielanzeige mit einem Haken aus dem Register. Heute gibt es alle paar Jahre eine neues Gerät für diesen Vorgang, jüngst mit Umstellung auf Flüssigkristallanzeige. Allein die Wartung erfordert mehr Arbeitsstunden als die mechanische Arbeit früher kostete. Meint ernsthaft jemand, dadurch werde das Leben schöner und reicher?
Meine Polemik gegen den Computereinsatz im Kindergarten soll nicht den Eindruck erwecken, ich sei ein Feind aller Informationstechnologie. Wer einmal die Buchhaltung mit Journal gemacht hat, der weiß, wieviel Mühe die Rechenmaschine uns abnimmt. Abgesehen davon, daß Salons mit Spielautomaten überhaupt verboten gehören, fordere ich Augenmaß im Einsatz von Maschinen aller Art. Im übrigen taugt die Informationstechnik nicht als Argument für das Fortbestehen des Stromnetzes. Das Telefon ging früher ohne Strom, nicht im physikalischen Sinne, aber im energietechnischen. Datenverarbeitungsmaschinen könnten auch heute schon mit viel weniger Leistungsaufnahme hergestellt werden. Überflüssig ist beispielsweise die Festplatte, wenn man aufs allgemeine Netz zugreift und dort auch speichern kann. Auch daß der Prozessor mit zusätzlichem Energieaufwand mechanisch gekühlt wird, scheint mir nicht besonders intelligent. Eher ließe ich an an ein Teilrückgewinnung der Energie denken. Es scheint mir durchaus denkbar, Geräte zu entwickeln, für die auch in unseren Breiten ein kleiner Sonnenkollektor auf dem Dach ausreichend wäre. Dabei ist gar noch nicht berücksichtigt, daß die Silizium-Halbleitertechnik energetisch nicht das Optimum ist. Eine Bakterienzelle verarbeitet wesentlich mehr Informationen als ein Pentium-Prozessor.
Als ich Kind war, mußte ich im Urlaub den Kaffee meiner Eltern mit der Handmühle mahlen. Mir hat das keinen Spaß gemacht, vermutlich auch deshalb, weil ich selbst nur Malzkaffee bekam. Auch wußte ich nicht, wie lange man dafür arbeiten muß, damit einem die Maschine die Arbeit abnimmt. Auch nicht, daß dadurch die Zeit so knapp wird, daß man nur noch wenig Lust zum Handmahlen hat. Ich möchte damit meine Ausführungen beenden und das Fragmentarische bewußt in Kauf nehmen. Der Weg aus der Verschwendungswelt ist nicht ohne Opfer. Es ist kein Vergnügen, wenn der Pferdewagen in einem Wegloch stecken bleibt. Aber dies ist nicht dasselbe wie die Untiefen von Microsoft Windows. Es ist das wirkliche Leben. Das neue Gleichgewicht suchen, heißt, zur Wirklichkeit zurückzukehren. Und es heißt auch, zu Gott zurückzukehren. Denn Gott ist nicht ein Gegenstand der modernen Physik, wie mancher Schwärmer da meint, sondern die Erfahrung des Menschen, der die Spannung wirklichen Daseins auf sich nimmt, der als Geschöpf lebt und sich als Geschöpf erlebt.
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